Erich - Für diesen historischen Europapokaltermin kalkulierten wir ein verlängertes Wochenende ein, von welchem wir dann jede einzelne Stunde voll auskosten sollten. Historisch deshalb, weil wir zum ersten Mal in unserer Vereinsgeschichte den europäischen Supercup nach München holen werden. Doch dazu später mehr.
Die Mission Supercup begann für uns am Freitagmorgen. Gut zehn Nasen von uns setzten sich in den Flieger Richtung Prag. Eine sehr schöne und gepflegte Stadt, wo das Auge in vielerlei Hinsicht sehr gerne mitschaut. Einquartiert haben wir uns in einer hübschen Wohnung im Stadtzentrum, nahe der berühmten Karlsbrücke gelegen. Das schöne an dieser Bleibe war, dass es gleich neben dem Hauseingang zwei gemächliche Kneipen hatte. So hatten wir eine solide Homebase, wo man über die drei Tage nie um einen halbleeren Dieseltank fürchten musste. In der Moldaustadt kann man im Übrigen, wie fast überall auf der Welt, kleine und grosse Biere bestellen. Bei der Wahl „gross“ bekommt man aber ohne weitere Gegenfrage einen Masskrug serviert. „Klein“ wäre demnach 0.5 Liter, drunter gibt es (richtigerweise) nichts. Ein erster, süffisanter Hinweis darauf, warum die Tschechen statistisch gesehen Weltmeister im Biertrinken sind.
Kommen wir aber nun zum sportlichen Teil und Höhepunkt dieser Reise. Am Freitagabend stand das Spiel gegen die blaugefärbten Inselaffen aus London an. Unsere Matchvorbereitung darauf war ein kurzer Rundgang durch die Innenstadt. Danach machten wir uns mit der Strassenbahn auf zum Edenstadion. Ein schöner Neubau. Zwar passen nur circa 20'000 Menschen rein, doch hatten wir endlich wieder einmal eine geschlossene Kurve, über die gesamte Breite der Torauslinie, zu unserer Verfügung. Dies war ein Fressen für uns alle, denn waren wir zu diesem Saisonzeitpunkt doch ziemlich auf Stimmungsentzug. Klar auswärts sind wir uns einen anständigen Support gewohnt, doch eine so geschlossene und breite Kurve war eine hübsche Chance, allen zu zeigen, was in unserer Kurve drinstecken könnte und auch in Fröttmaning umsetzbar wäre. Die gesamten 120 Minuten plus Elferschiessen war es dann Gänsehaupt pur auf den Rängen, obwohl man faktisch die volle Distanz einem Rückstand hinterherlief. Die Kurve feierte sich phasenweise selbst und pushte die Mannschaft zum historischen Triumph. Die Bayern nahmen unsere Vorlage schlussendlich an; besser spät wie nie dachte sich der gute alte Baske Javi und hämmerte fünf Meter vor unseren Augen das Ding in der 121. Minute zum Ausgleich in die Maschen. Der Jubel war grenzenlos und kam fast schon an den Lastminute-Jubel von Hamburg 2001 heran. Man muss neue Worte erfinden um dieses Gefühl zu beschreiben. Gewonnen war zwar noch nichts, aber von nun an war jedem von uns klar, dass wir uns dieses Ding dieses Mal nicht mehr wegstehlen lassen. So kam es auch. Inselaffen-Elfemterschütze Nummer fünf schiebte den Ball in Neuers Arme und wir waren kurz vor Mitternacht erstmalig in unserer 113-Jährigen Geschichte Supercup-Champion. Man könnte jetzt von geglückter Revanche oder ähnlichem für das „Finale dahoam“ sprechen. Doch wäre dies ein verfehlter und unehrlicher Gedanke. Wer an jenem folgenschweren 19. Mai in München war, weiss, dass wir jenen Tag leider nie mehr rückgängig oder vergessen machen können. Das gehört zu unserer Geschichte dazu wie jener märchenhafte Spätsommertag heuer in Prag. 120 Minuten leidenschaftlicher Spitzenfussball und ein klares Zeichen der Südkurve München - an die bis dato ignoranteVorstandschaft - besiegelten ein wahrhaftes Glücksgefühl, welches einige von uns bis zum nächsten Sonnenaufgang im Prager Nachtleben begossen.
Am Samstag stand zuerst langes Ausschlafen, sowie Stadtrundfahrt auf dem Tagesbefehl. Am frühen Abend zog es uns zum Sparta Stadion. Sparta Praha empfing den Rivalen Banik Ostrava. Wie mir eine tschechische Kollegin später bestätigte, ist dies nebst den Pragerderbys das absolute Hassduell in Teschechien. Die Städte Ostrava und Prag sind schon länger in einer Dauerfehde. Waren wir also sprichwörtlich zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Der nationale tschechische Fussball hat zwar in etwa das Niveau der FC Bayern Frauenabteilung, doch auf den Rängen ging es richtig zur Sache. Die Blicke von uns waren dann verständlicherweise auch mehr in die beiden Kurven gerichtet, als auf dem Spielfeld. Ostrava hatte zudem noch polnische Verstärkung, die der Kategorie C zuzuordnen ist, mit dabei. Die Ultras Sparta wiederum überzeugten mit sechs (!!!) wechselnden Choreos während des Spiels. Pyrotechnik fehlte natürlich auch nicht. Zusammenfassend kann man sagen, war es so richtig ehrlicher Fussball, wie wir ihn früher in unseren Breitengraden lieben gelernt haben; genügend Stehplätze, alkoholhaltiges Bier, wenig Kommerz, super Stimmung, Pyrotechnik, schlichtweg eine freie Entfaltung der Fankulur und vieles mehr.
Nach diesem Groundhopping-Ausflug ging es zum gediegenen, gemeinsamen Abendessen. Nach dem Essen machten sich unsere eher jüngeren Mitglieder auf ins Prager Partyleben. Solange das Filmband lief, war es wirklich toll…
Sonntag war ausnüchtern und auschecken angesagt. Einige besuchten noch die Prager Burg. Wie die ganze Stadt schlichtweg sehenswert. Man kann über den Ostblock denken was man will, aber Prag ist wirklich sehr kultiviert und zivilisiert. Auf ein baldiges Wiedersehen würden sich sicher alle Beteiligten freuen. We are always coming back again, fuck off Chelsea FC!
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